Das Ende der Unschuld

Aus gegebenem Anlass habe ich mich dazu entschlossen , diesen blog weiter zu führen. Im Focus steht das Thema Brustkrebs mit all seinen Facetten. Zwar schreibe ich auch auf der Seite der Selbsthilfegruppe einen blog, doch poste ich dort hauptsächlich Termine und Fakten. Dieser blog hier, mein persönlicher blog“ – „my own private Idaho“ – wird mir Raum und Möglichkeit zur Selbstreflektion geben,  wird Plattform sein um Gedanken, Gefühle aber auch  Informationen und Erkenntnisse zu reflektieren. Neben Worten fließen Bilder mit ein – Collagen,Monotopien und Fotografien die ich vor 9 Jahrend während meiner eigenen Therapien anfertigte um das Thema zu „verarbeiten“.

Vor sechs Tagen notierte ich auf einem Blatt: „…Ein grauer, naßkalter Tag. Wir konnten viel erledigen heute. Dann kam die Nachricht, mit der sich erst mal nichts erledigt hat-Eva, meiner Mutter, wurde heute der Biopsie-Befund mitgeteilt: er ist positiv. Jetzt ist erst mal nichts mehr positiv. was für eine Nachricht! Denn auch die Option einer frühen Diagnose, einer guten Therapierbarkeit, all die Informationen und das Wissen darum ändern nichts an der Tatsache,dass ich in Sorge bin….“

„My private Idaho“- „Das Ende der Unschuld“ -wie passend! Mein unschuldiger Glaube der Unsterblichkeit, der Nicht-Verletzbarkeit endete 1980, vor 34 Jahren. Meine Großmutter bekam damals,mit 60 Jahren, die Diagnose „Brustkrebs“, und für kurze Zeit blieb die Welt stehen. Sie hatte es selbst ertastet, ging gleich zum Arzt, der Verdacht bestätigte sich. Sie kam in eine Klinik, wurde operiert,dann bestrahlt. Damals war der Behandlungs-Standard ein ganz anderer, im Vergleich zu heute kam es einer Verstümmelung gleich. Sie mußte eine  Kobalt-Bestrahlung, eine sog. „Ultraharte Bestrahlung“ über sich ergehen lassen- Welten liegen zwischen damals und einem Linearbeschleuniger heutiger Zeit! Im Nachhinein besehen und im Vergleich zu heute wurde sie „übertherapiert“, wie mir ein Arzt mitteilte der damals dem Team angehörte. Leider finde ich keine genauen Unterlagen mehr  über den  pathologischen Befund des Tumors meiner Großmutter. Zugleich konnte ich miterleben, wie sie nicht klein beigab, sie selbst blieb – elegant, aufrecht, willensstark. Contenance war ihr Motto. Sie blieb nur kurz zu Hause, ging bald wieder zur Arbeit – Geschäftsfrau durch und durch. Allerdings hatte sich eines geändert: sie fing an sich ihrem Garten zu widmen, sich Auszeiten,Urlaube und Reisen zu gönnen. Gemeinsam machten wir uns auf den Weg: Kreta, Mallorca und die Toskana haben wir bereist, Land und Leute,Küche und Kultur erlebt. Sie hat mir vorgelebt: daran stirbt man nicht, das Leben wird schöner-und intensiver! Als ich meine Diagnose im Januar 2005 bekam war ich also schon darauf vorbereitet.

Das Thema „Brustkrebs“ wurde in unserer Familie offen besprochen und diskutiert, wir waren sensibilisiert und nutzten die Möglichkeiten der Vorsorge und Früherkennung. Bei mir war es der Zufallsbefund eine Mammografie, die erkennen ließ: da stimmt was nicht. Ich war 40 Jahre alt. Obwohl es eigentlich heißt, daß bei „jüngeren Frauen“ eine Sonografie aussagekräftiger ist. Bei meiner Mutter wurde im Ultraschall erkannt, was in der Mammografie nicht lesbar war-  und eine Biopsie angeordnet. 3 Frauen, 3 Generationen, 3x Brustkrebs -und 3 unterschiedliche Arten der Entdeckung bzw. Diagnostik.

Zellcodierungaus der Serie „Mamma CA“, Monotypie auf Papier, © Michaela Dreier