Von Genen, Wächtern und „Lätschenbenes“

Drei Frauen einer Linie sind an Brustkrebs erkrankt. Zufall? Oder eine Frage der Vererbung, also der Gene? Um das herauszufinden ließ ich mich vor einem Jahr testen – da ahnte ich noch nichts von der Erkrankung meiner Mutter. Gründe für den Test gab es dennoch: bei meiner Diagnosestellung gab es diese Möglichkeit noch nicht. Bei jeder Nachsorgeuntersuchung bin ich zweimal im Jahr mit der Möglichkeit einer Zweiterkrankung konfrontiert – bei einer Mutation der Gene BRCA1 und BRCA2 steigt das Risiko um ein fünffaches. Auch viele Jahre danach stellt sich mir also die Frage nach dem Rest-Risiko – und zugleich nach Möglichkeiten der Vorsorge. Entsprechende Vorinformationen bekam ich auf dem Senologiekongreß in München 2013 und dem anschließenden 2. Symposium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs vom „BRCA-Netzwerk“. Da wurden mir durch einen Vortrag von Prof. Alfons Meindl vom „Zentrum familiärer Brust- und Eierstockkrebs“ in München die Zusammenhänge in der eigenen Familienbiografie bewusst. Mit Angelina Jolies „outing“ , die sich als Trägerin eines mutierten Gens vorsorglich beide Brüste abnehmen ließ (Artikel hier), das Thema auch öffentlich diskutiert wurde und Frauen, die zu uns in die Selbsthilfegruppe kommen, gezielt danach gefragt haben, machte ich mich auf den Weg um die Voraussetzungen und Abläufe zu verstehen. Mit dem Familienstammbaum, diversen Diagnoseblättern und Unterlagen, ausgefüllten Fragebögen und Formularen im Gepäck fuhr ich nach München in die Sprechstunde der „Gynäkologischen Tumorgentik“ der LMU München ins Klinikum Rechts der Isar.

Kurz vor Weihnachten 2013 erhielt ich das Ergebnis: bei mir liegt weder eine Mutation des BRCA1-Gens vor noch des BRCA2-Gens. Doch wird weiter geforscht und eine Exom-Sequenzierung durchgeführt (das menschliche Genom besteht zu 1% aus dem Exom, auf dem die meisten krankheitsverursachenden Veränderungen zu finden sind) , um eventuelle genetische Ursache in meiner Familie aufzuklären.Wenn dann könnte eine  oligogene Ursache vorliegen,d.h. nicht eine einzige Genmutation ist verantwortlich, sondern 2-3 Genmutationen. Sollte dies der Fall sein hätte ich die Möglichkeit auf zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen wie z.B. ein MRT. Warum dies dann sinnvoll ist hat Prof. Alfons Meindl  auf dem Kongress und bei seinem Vortrag, zu dem wir ihn nach Traustein eingeladen haben, erklärt: “ Lästig werden diese mutierten Exome nur, wenn sie sich zusammen tun. Das ist wie am Dorf wenn die Falschen miteinander ins Wirtshaus gehen – dann fangen sie eine Rauferei an.  Einer alleine richtet gar nix aus, da lacht ein jeder nur wenn so einer auftaucht. Aber wenn sie zu fünft oder zu siebt kommen wird es kritisch, wenn die Lätschnbene plötzlich stark werden und mitmischen zahlt der Wirt meistens drauf.  Bei 35% der BRCA2- Mutationsträgerinnen liegt das Erkrankungsrisiko bei 20% ohne Lätschnbene, mischen diese aber mit steigt das Erkrankungsrisiko auf 70%.“  Hier ist der ganzen Artikel über den Vortrag nachzulesen:Gene+BrustkrebsProfMeindl.

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Monotypie: „alle in einem Boot“; © Michaela Dreier

Jedenfalls wurde meine Mutter heute operiert. Ich habe sie natürlich besucht. Ich fuhr in die Klinik, in der ich vor fast 10 Jahren selbst operiert wurde. Ich ging durch die Gänge – wie damals. Die Pflastersteine der Treppe – ein wohlbekanntes Muster. Auch die Cafeteria sieht noch genauso aus – ein „deja-vecu- Erlebnis “ ( schon mal erlebt -nicht nur gesehen oder geträumt).Nur die Rezeption wurde verlegt und modernisiert – so wie wohl einiges im Inneren der Klinik. Nur sind diesmal die Vorzeichen anders: selbst betroffen von der Diagnose wußte ich dass ich in guten Händen bin und alles medizinisch mögliche getan wird um den Brustkrebs sinnvoll anzugehen und zu therapieren.Ich hatte weder Angst noch Sorge ummich. Ist ein nahestehender Mensch betroffen ist die Situation anders: ich fühle mit – und sorge mich! Jedenfalls die wirklich gute Nachricht ganz zum Schluß: eine pathologische Untersuchung der Wächterlymphknoten ergab –  die Lymphen sind NICHT befallen!