– ein Kommentar über die Vermessenheit –
Richard Smith, ehemaliger Herausgeber des „British Medical Journal“ und Dozent an der Universität Warwick, löste kürzlich eine kontroverse Diskussion zum Thema Krebs aus: Der Tod durch Krebs sei die beste Art zu sterben, so Smith in einem Beitrag auf dem bmj-blog . Er unterscheidet vier Arten zu sterben: 1.den plötzliche Tod, bei dem kein Abschied möglich ist und nichts mehr geklärt, versöhnt, ausgesprochen werden kann. 2.den langsamen Tod durch Demenz, bei dem man sich selbst verliert. 3.den Auf-und-ab-Tod durch Organversagen, bei dem man sich ganz den Ärzten und der Apparatemedizin ausliefert. Und 4. den Krebstod. Dieser sei deshalb die beste Art zu sterben, so Prof Smith, da einem dann die Zeit bliebe, sich zu verabschieden, das eigene Leben zu reflektieren, Botschaften zu hinterlassen, vielleicht die besonderen Plätze ein letztes Mal zu besuchen, die liebsten Lieder zu hören, geliebte Gedichte zu lesen, und sich – entsprechend des eigenen Glaubens – darauf vorbereiten, seinen Schöpfer zu treffen. Dies sei zwar ein romantischer Blick auf das Sterben, aber „es lässt sich mit Liebe, Morphin und Whiskey erreichen“, so Smith.
Ja wenn es denn nur so einfach wär! Derlei beschönigende Darstellungen gehen am Thema vorbei! Bei einer Krebserkrankung ohne Aussicht auf Heilung sitzt immer Eine mit am Bett: die Hure Hoffnung! Und manchmal reichen Morphium und Whiskey eben bei weitem nicht aus – dann hilft nur ein künstliches Koma, wenn der Schmerz unerträglich wird. Oder der Suizid – um sich selbst die Würde zu bewahren und Leid zu beenden, so wie Brittany Maynard am 1. November 2014. Dieses Ringen und Kämpfen beschreibt Wolfgang Herrndorf in seinen Tagebuchaufzeichnungen „Arbeit und Struktur“ sehr anschaulich: »Ein Riesenirrsinn jeden Tag, jeder Tag« und »Ich kann nicht mal das Wort finden, das meinen Zustand beschreibt«. Spätestens mit Christoph Schlingensiefs „So schön wie auf Erden kann´s im Himmel gar nicht sein“ wurde deutlich, dass der Krebstod am Ende eines Lebens sich auf die Lebensweise, -erfahrung und – einstellung bezieht die der Betroffene schon vorher hatte. Ein praktizierender, in Mediation geübter Mönch und Buddhist wird anders in diese Phase treten als einer, der in der Tradition des „Glaubens und Hoffens bis zum Schluss“ lebte und weder den Kampf noch die Liebe zum Leben oder zu seinen Leiben einfach aufgeben kann.
Henning Mankells Aufzeichnungen seiner Krebserkrankung und –therapien scheinen auf den ersten Blick Richard Smith Recht zu geben. Doch schnell wird klar: Mankell war immer schon ein sehr bewusst lebender, reflektierter Mensch. Er gibt offen zu, Tage zu erleben, „…die schwer sind, mutlos. Dann heißt es, die Zähne zusammenzubeißen und sich zu anderen Gedanken zu zwingen.“ Und er schreibt von seiner Angst – so wie viele vor ihm auch. Alleine die Diagnose war für Mankell ein „Abstieg in die Hölle“. Nach monatelangen Therapien konstatiert er wie so viele andere Krebspatienten auch, die wissen, dass der Krebs zwar zur Ruhe gekommen ist aber Heilung nicht mehr möglich ist, sein Leben zu leben „als wäre alles normal.“
Egal ob nun Mankell, Herrndorf oder Schlingensief: jeder Tod ist so individuell wie das Leben selbst und ist die letzte zu bewältigende Aufgabe eines Jeden. Ein Vergleich, welcher Tod nun „besser“ oder „schlechter“ sei und somit die Krebs-Forschung an sich gleich in Frage zu stellen, ist allerdings mehr als vermessen!
