Herzensangelegenheit

Krebs + Psychosomatik /Teil2: Psyche-Gehirn-Körper
Bereits im Jahre 1988 startete die erste große Übersichtstudie (House, Landis + Umberson – „social relationship and health“), die bewies, dass Beziehungen zwischen Menschen wesentlich darüber entscheidet, ob diese krank werden oder gesund bleiben. Es wurde festgestellt, dass das statistische Krankheitsrisiko durch Vereinsamung höher ist als z.B. durch das Zigarettenrauchen. Die Brustkrebspatientinnen in den Randzonen von Chicago ( siehe Teil 1) sind dafür ein trauriger Beweis.  „Psychische Einflüsse und seelische Erlebnisse werden vom Gehirn in bioelektrische Impulse und in die Freisetzung von Nerven-Botenstoffen umgewandelt. Das Gehirn macht aus dem psychischen also einen biologischen Vorgang“, beschreibt Prof. Joachim Bauer die Zusammenhänge („Das Gedächtnis des Körpers“, als Taschenbuch erhältlich!) Das Hirn sendet Signale aus, stimuliert Nervenzellen und zahlreiche Körperorgane und kann dort zu Veränderungen der Genaktivität führen. Unsere Gene sind also keine „Eigenbrödler“, sondern stehen in ständigem Kontakt zur Umwelt. Im Hinblick auf die Genregulation und die jeweils oft notwendige Anpassung auf Umwelteinflüsse und Situationen ist dies auch eine durchaus wichtige Fähigkeit des Körpers.
Da wir alle Individuen sind, hat auch jeder eine individuelle Stressreaktion entwickelt – und zwar aus zumTeil sehr frühen Erfahrungen. Jede neue Streßsituation wird neu bewertet – in Sekundenbruchteilen, unbewusst und nicht steuerbar, werden Alarmzentren im Gehirn ausgelöst. Dieses greift auf individuelle Vorerfahrungen zurück, die in Nervenzell-Netzwerken abgespeichert sind. Es ist nachgewiesen, dass frühe Erfahrungen von Stress später eine erhöhte Empfindlichkeit auf Stresserlebnisse zur Folge haben. Ein stabiles, geschütztes biologisches Streßsystem dagegen zeigen Menschen, die nach der Geburt die Erfahrung von sicherer Bindung zu Bezugspersonen machen konnten. Der Kreis schließt sich – wieder sind wir beim Thema Beziehung und Bindung. „Nenne irgendjemand irgendeine Krankheit, bei der psychosoziale Einflüsse nicht ihre Entstehung, den Verlauf und die Bewältigung beeinflussen können“ so Michael Wirsching, Professor an der Uni Freiburg. Er führt neben anhaltender, schwerwiegender Belastung als eine der Gründe für die Krankheitsanfälligkeit auch die Lebensumstände und Lebenssituation zu Krankheitsbeginn an – und zwar im Hinblick auf eine spezifische, subjektiv bedeutsame krankheitsauslösende Situation. „Wenn die Lebenssituation zu Krankheitsbeginn (nicht zum Zeitpunkt der Diagnose!) von subjektiv empfundener Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit bestimmt war, ist es desto wahrscheinlicher, dass psychosomatische Faktoren entscheidenden Anteil an der Erkrankung haben.“  ‚
Verluste und Trennungen, Beziehungsabbrüche und Zurückweisungen werden als psychischer und sozialer Einschnitt erlebt, erzeugen auf der Gefühlseben Trauer, Wut, Zorn oder Hilflosigkeit und der Körper reagiert mit Streßsymptomen wie Herzklopfen, Herzrasen, Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit.Der Focus ist dabei nicht nur auf Partnerschaft und Familie gerichtet sondern auch auf Bezugssysteme wie Freunde, Arbeitskollegen, ähnliche soziale Gruppen wie Sportgruppen oder den „Stammtisch“. Heftige, immer wieder kehrende oder anhaltende Gefühle behindern unser Immunsystem. Bei erhöhtem Cortisol-Wert im Blut nimmt die Anzahl und Funktionstüchtigkeit der Abwehrzellen deutlich ab – mit Zeitverzögerung. Aber – und das ist eine Chance! – es funktioniert auch umgekehrt! Momente der Lebensfreude und des Glücks, der Entspannung und Meditation bringen uns nicht nur in eine Balance sondern wirken sich positiv aufs Immunsystem aus.
Die logische Frage, die ich mir damals stellte, war also: was habe ich erlebt, circa vier bis fünf Jahre zuvor? Anhand der Biologie meines Tumors konnte ich in etwa davon ausgehen, daß er um das Jahr 2000 herum entstanden ist. Ich mußte nicht lange überlegen – drei belastende Sequenzen in dieser Zeit wurden sofort präsent! Nun konnte ich diese aber nicht mehr verändern oder in der Zeit zurückgehen. Aber ich hatte den Zusammenhang zwischen Erlebnis und meinem individuellen Verarbeitungsprogramm, dass lautete „weiter machen wie bisher, du bist ja stark„. Ich konnte mir jetzt die Fragen stellen: wie sehe ich die Situationen heute,mit etwas Abstand? Wo hat auch meine Stärke ihre Grenzen? Wo finde ich mich heute wieder, wo werde ich gesehen als diejenige, die ich bin? Und: wie ist mein Lebensumfeld? Was muß verändert werden? Ich erkannte schnell, dass ich in meinem damaligen Lebensumfeld – unbewußt – permanent an diese Situationen erinnert werde. Mein Jahr der Therapien war eine Art „Sabbatical“,  indem ich mich tatsächlich wieder fand – in meiner Kunst,meinem Wesen,meinem Sein. Zwar noch nicht in meinem Körper, der  hat mir währen der Antihormonellen Therapie sehr übel mitgespielt – aber Geist und Seele stabilsierten sich. Ich entschloß mich, umzuziehen. Näher an die Berge, an den Chiemsee ran -nach dem Motto  „… Wohl an denn Herz, nimm Abschied und gesunde…“chiemseeligKL         „Chiemseelig“, Lochkamera -Langzeitbelichtung, 2005; © Michaela Dreier