Man nehme die Zwiebel einer verblühten Amaryllis, setze diese im Frühjahr in den Garten – und warte. Zuerst kam sintflutartiger Regen, doch die Zwiebel ist nicht vergammelt. Sie schob ein zartens Grün – bis die Schneckeninvasion über sie hinwegmarschierte und sich bis in die Zwiebel hineinfraß. Sie wurde gerade noch rechtzeitig gerettet und lag, zugedeckt von ein wenig Erde, in einem Blumentopf auf erhöhtem Posten. Da mußte sie sich erst mal erholen und wieder aufgepäppelt werden. Leider geriet sie in Vergessenheit und mußte eine Dürreperiode überstehen. Doch das Innere der Zwiebel gab nicht auf. Rechzeitig vorm Frost durfte sie ins Haus – ein letzter Versuch. Sie stand warm, wurde ein wenig gegoßen und schob ein paar Blätter. Das wars. Fast 5 Monate stand sie da ohne nennenswerte Veränderung. Während ich diese Woche bereits über die Art der Entsorgung nachdachte, entdecke ich eine Knospe. Innerhalb einer Woche entwickelte sie einen Blütenstiel von 70 Zentimetern und vorgestern ging die erste Blüte auf, gestern die Zweite, heute die Dritte. Schneeweiß steht sie da – die rot Zeichnung hat sie eingebüßt, doch das reine Weiß steht ihr gut. Jetzt verstehe ich, warum diese Blume auch „Rittersten“ heißt – weil sie sich als Kämpfernatur wahrlich ritterlich den widrigesten Umstände und Umvorhersehbarkeiten stellt -und zu ihrere Zeit erblüht.