Recht hat er, der Christoph Schlingensief,es ist sauschön hier! Für diese Erkenntnis bräuchte ich zwar nicht ihn , auch nicht sein Buch – doch dass er es so deutlich sagt, dass finde ich schon mal sehr gelungen. Wie überhaupt das ganze Buch, das letztendlich die
geschriebene Version seiner Gedanken, Eindrücke und Gefühle ist, die Schlingensief 2008 während seiner Krebserkrankung und den Therapien ins Diktiergerät gesprochen hat. Dass Schliengensief schonungslos und offensiv mit Dogmen , verkrusteten Ansichten und engstirnigen Denkweisen umgeht war mir bekannt – dass er auch bei sich selbst, bei seinem persönlichen Erleben ohne Netz und Filter arbeitet überrascht mich dann doch. Es fiel mir bis dato nicht gerade leicht mich seinen künstlerischen Arbeiten – Inszenierungen, Installationen und „Ready mades“ – zu nähern. Rückblick- end verstehe ich sie besser – als ein Hinarbeiten auf seine momentanen Werke. Keine Angst – ich schreiben keine Rezensionen hier, weder über das Buch noch über seine Werke, das tun andere viel besser. Ich möchte nur meiner Begeisterung Ausdruck verleihen – und Neugier wecken! Auf seinem Internetauftritt – http://www.schlingensief.com/ – und über den blog http://www.peter-deutschmark.de/ erhält man über ausführliche previews einen Einblick in „mea culpa“ und „Eine Kirche der Angst gegen den Feind in mir“. Bei letzterem hört man unter „Die Kirche und ich“ den O-Ton der damailgen Aufzeichnung – sehr berührend!!!! Schliengesief hält mit nichts hinterm Berg – weder mit den großen Gefühlen noch mit den alltäglichen , banalen Gedanken und macht so die existenzielle Bedrohung unmittelbar spürbar. Es ist ihm ein großes Anliegen, dass Patienten Mensch und zugleich autonom bleiben – denn gerade seine Autonomie aufgeben zu müssen hat er selbst als sehr bedrohlich und schockierend erfahren. In den ersten vier Wochen nach der Diagnose bräuchten die Patienten psychologischen und psychotherapeutischen Beistand, ebenso kompetente Antworten auf Fragen zur Therapie, so Schlingensiefs Erkenntnis. Er selbst habe das schmerzlich vermißt – und darum „krank und autonom“ gegründet ( siehe HP!) das er als Netzwerk Betroffener versteht. Sowohl sein Buch als auch seine Inszenierungen sind für mich ein Aufruf zu mehr Offenheit, Austausch und Anteilnahme, wovon es tatsächlich nicht genug geben kann, wie ich vorallem aus meiner Arbeit in der Selbsthilfegruppe weiß.
Bei mir selbst tauchen Erinnerungen an Gedanken und Gefühle auf, die zu haben ich mir verwehrte oder bagatellisierte. In meinen Zeichnungen und Bilder erkenne ich sie wieder. Dass sie legitim, zu tiefst menschlich und „erlaubt“ sind wird mir jetzt bewußt! Ebenso die Notwendigkeit meiner eigenen künstlerischen Arbeit, um im wahrsten Sinn des Wortes die Not zu wenden.“Wir brauchen die Kunst um nicht an der Wahrheit zu verzweifeln“- Nitzsche hats begriffen!
© Michaela Dreier
