viel Welt und wenig Boden

Gestern wollte ich mir in einer Buchhandlung in Simbach am Inn einen Gedichtband von oder ein Buch über Hilde Domin kaufen. Natürlich war keins da, aber – keine der Buchhändlerinnen hatte jemals den Namen gehört oder geschrieben… das fand ich dann schon seltsam. Muß man Hilde Domin kennen ? Ich meine , man versäumt etwas wenn nicht! Das wurde mir klar als ich vor ein paar Tagen noch einmal die Möglichkeiten hatte, den Film „Ich will dich – Begegnungen mit Hilde Domin“ von Anna Ditges als DVD zu sehen. Ich habe auch versucht zu zeichnen, während des Film – aber die kleine, agile Schriftstellerin ist „schwer zu fassen“, zumindest im Bild. Im Film wird sie einem sehr nah, ihr Leben, ihr Allein sein – Erwin Walter Palm, ihr Ehemann, verstarb nach 57 gemeinsamen Ehejahren – aber auch ihre Kraft, ihre Eitelkeit – und ihre Worte, Prosa, die Gedichte, im Film so wunderbar vorgetragen von Katharina Thalbach. wikipedia schreibt über die berühmte Lyrikerin ( von mir etwas abgewandelt):

Hihildedomin2.jpglde Domin wurde 1909 in Köln in eine gutbürgerliche Familie hinein geboren. Nach der Schule besuchte sie die juristische Fakultät der UniHeidelberg  – der vater war Jurist und sich bezeichnet ihn als Freund, mit dem sie schon als Mädchen viel und offen diskutieren konnte, gerade auch juristische Fragen. Sie sei in großer Freiheit aufgewachsen und durfte für diese Zeit ungewöhnlich viel , beschreibt sie diese ihre Zeit der Kindheit.  An der Uni hatte sie mit Kommilitonen Mein Kampf gelesen und besaß die Weitsicht, dass „Hitler das, was er in ‚Mein Kampf‘ geschrieben hatte, auch ausführen würde.“ (Tauschwitz: Dass ich sein kann, wie ich bin. S. 52). Unmittelbar nach ihrer Rückkehr nach Heidelberg zum Sommersemester 1931 lernte sie den jüdischen Frankfurter Altphilologie- und Archäologiestudenten Erwin Walter Palm kennen und lieben. Die beiden wurden ein Paar und, seiner Italiensehnsucht nachgebend, begannen beide im Herbst 1932 ein Auslandsstudium in Rom. Hilde Domin studierte Jura, Philosophie und politische Wissenschaft, promovierte 1936 über Staatsgeschichte der Renaissance (Univ. Florenz).   Schon ab Februar 1934 richtete sich die italienische Rassenpolitik auch gegen Juden: Über Paris führte sie die Flucht nach England, dort unterrichtete Hilde Palm ein halbes Jahr lang als Sprachlehrerin am St. Aldwyn’s College. Angesichts der Kapitulation Frankreichs und des drohenden Blitzkriegs entschlossen sie sich zur Flucht aus England und so flohen sie am 26. Juni 1940 über Kanada in die Dominikanische Republik. Dort war Hilde Palm „eine großartige Sekretärin“: Sie übersetzte und tippte die Arbeiten ihres Mannes, dokumentierte seine Studien fotografisch und unterrichtete von 1948 bis 1952 Deutsch an der Universität von Santo Domingo.

Mit 37 Jahren begann sie mit ersten schriftstellerischen Tätigkeiten, der zunehmenden seelischen Vereinsamung und Entfremdung ihres Mannes setzte sie ihr Schreiben entgegen, das sie nach dem Tod ihrer Mutter, 1951, vor dem Selbstmord rettete. Sie war „eine Sterbende, die gegen das Sterben anschrieb“. 1954 kehrte sie nach 22 Jahren im Exil in die Bundesrepublik zurück, doch pendelte sie noch sieben Jahre zwischen Spanien und Deutschland hin und her. Erwin Walter Palm vervollkommnete seine ibero-amerikanischen Studien, Hilde Domin intensivierte ihre schriftstellerische Tätigkeit. In Miraflores de la Sierra machte sie die Bekanntschaft mit dem spanischen Dichter Vicente Aleixandre, der den Kontakt zur Literaturzeitschrift Caracola herstellte, in der Domin ihre Übersetzungen veröffentlichte. Ihr Pseudonym Domin  hatte sie  nach dem Namen ihrer Insel gewählt, wo sie ihr Dichterleben begann.

Domin empfand sich als „Gratwanderer“, mit viel Welt, aber wenig Boden unter den Füßen. Sie sah sich als spanische Autorin in deutscher Sprache, geprägt vom arabischen Erbe des Spanischen und damit Ungaretti verbunden, der sich vom Ägyptischen beeinflusst fühlte. In ihren späteren Gedichten ließ sie sich von der japanischen Kunsttheorie inspirieren und sah auch den Einfluss Hölderlins. Domin trug in Lesungen ihre Gedichte zweimal vor. Sie las in Gefängnissen, Schulen und Kirchen. In einem Interview 1986 wurde ihr die Frage gestellt, wie viel Mut ein Schriftsteller benötige:   „Ein Schriftsteller braucht drei Arten von Mut. Den er selber zu sein. Den Mut, nichts umzulügen, die Dinge beim Namen zu nennen. Und drittens den, an die Anrufbarkeit der anderen zu glauben.“

Am 22. Februar 2006 starb Hilde Domin in Heidelberg im Alter von 96 Jahren nach einer Operation nach einem Sturz.

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Wunsch……………………von Hilde Domin

Ich möchte von den Dingen die ich sehe
wie von dem Blitz
gespalten werden
Ich will nicht daß sie vorüberziehen
farblos bunte
sie schwimmen auf meiner Netzhaut
sie treiben vorbei
in die dunkle Stelle
am Ende der Erinnerung

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