Buchtip

Grenz-Erfahrung

was haben mein Hirn und meine Küche ( ja – endlich hab ich eine ! ) gemeinsam ? – Es herrscht ein klein wenig Chaos… noch bilde ich mir ein dieses zu beherschen, statt umgekehrt! Küchenchaos ist, weil eingeräumt und durchsortiert die Plätzchenbackstube einer eigenen „Ordnung“ unterliegt. Hirn-Chaos, weil ich  gerade das kunsttherapeutische Methodenseminar „vom Symbol zum Bild, von den Archetypen zum Tarot“ vorbereite und  mich  in einem Schmelztigel wieder finde! Außerst spannend das ganze: die eigenen Erfahrungen sortieren, Erkentnisse der Neurologie einbeziehen, Ausflüge in die Anfänge der Philosophie und Psychologie bleiben ebenfalls nicht aus, Informationen sammeln, Gedanken verwerfen, Worte sortieren. Dazwischen und mittendrin die Kunst und die Bilder, die für mich letztendlich alles vernetzen und in einen Zusammenhang bringen…. Schleuderwaschgang eben!

Wen wunderts, dass ich da an die Grenzen des Faß- bzw. Denkbaren stoße: 400 – 700 Gedanken hat Mensch in der Minute, also 4,5 Mio im Monat und nur 12.000 davon sind uns bewußt. Gleichzeitig lösen die 97% der unbewußten Gedanken dennoch Gefühle in uns aus…. ha, von wegen „Verstandesmensch“… ( danke, Bert für den Hinweis!)

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Fotoarbeit „Grenzerfahrung“, 2008

Literarisch wird das ganze begleitet von einer  „…. Reise durch Geist und Gehirn“ von Vilayanur Ramachandra, Direktor des Centers for Brain and Cognition in San Diego und Professor für Psychologie und Neurowissenschaften an der University of California. U.a. erläutert er in diesem Taschenbuch  „zehn universelle Kunstgesetze“ aufgestellt auf Grund seiner Forschungsergebnisse und  basierend auf den Faktoren die offenbar darüber entscheiden, was wir als Kunst empfinden.

Bei so viel Kopf- und Hirnarbeit ist Pläzchenbacken ein ganz wuderbarer Gegenpol!

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morning hours

Eintrag und Titel beziehen sich auf die  wunderbare neue CD von Rebekka Bakken!blindschreiben.jpgwachschreiben.jpg

… bei dieser wundervollen Morgenstimmung heute und begleitet von Rebekkas Stimme fiel es leicht die Träume vergangener Nächte aufzuschreiben! …. in einer Kellerbar, bei livemusik, übergibt mir jemand, den ich nicht kenne und von dem ich zugleich weiß ich sehe ihn nie wieder,  ein altes Feuerzeug und eine dicke Foto-Filmrolle. Mit den beiden Schätzen mache ich mich durch diekastanieh.jpg Nacht auf, gehe erst durch eine Gasse, bin dann wie getragen und gleite schließlich auf einem schmalen Schneemobil am Flußufer entlang, über dichten Schnee dahin auf eine alte Stadt und Burganlage zu… Ich meine Burghausen, meine Heimatstadt zu erkennen… und gleite hinüber ins Wachbewußtsein…. Feuerzeug und Filmrolle… ein Funke der da überspringt! – auf meinen Lebensfilm, der da neu geschrieben wurde , sich täglich fortsetzt, neu schreibt. Wer führt Regie ? Der Frage widmete ich mich ausführlich beim morgendlichen Meditations-Spaziergang mit den Hunden querfeldein. Frisch wars – der Rauhreif hat uns aufgeweckt, die Sinne geöffnet. Ums Haus rum hab ich dann noch ein paar Eindrücke festgehalten. Seit 9 bin ich putzmunter im Atelier und Büro beschäftigt, schreibe, entwerfe, strukturiere – und räum natürlich wieder Kisten….

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Ums Haus herum blühts immer noch, die Sonne projeziert Schatten – was ist wahr, was Wirklichkeit? Ramachandras wachhund11.jpgBuch „eine kurze Reise durch Geist und Gehirn“, das ich gerade lese, läßt mich einmal mehr über das Seh-„Geschehen“ im Gehirn staunen. Apropos Buch : morgen liest Michaela Karl in der Stadtbücherei in Trausntein ab 19:30 aus den „Bayerischen Amazonen“, ihre21xqspefy4l_sl500_aa140_.jpgm Buch, in dem sie zwölf Frauen aus zwei Jahrhunderten porträtiert. Frauen, die einen ganz eigenen, persönlichen  Weg einschlugen und Vorreiterinnen in vielerlei Hinsicht sind.Das Buch ist sehr empfehlenswert und ich hab es schon des öfteren verschenkt. Auf die Lesung freu ich mich ganz narrisch.- und natürlich auf ein Wiedersehen mit Michaela!

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So schön wie hier….

Recht hat er, der Christoph Schlingensief,es ist sauschön hier! Für diese Erkenntnis bräuchte ich zwar nicht ihn , auch nicht sein Buch – doch dass er es so deutlich sagt, dass finde ich schon mal sehr gelungen. Wie überhaupt das ganze Buch, das letztendlich die buchsch.jpggeschriebene Version seiner Gedanken, Eindrücke und Gefühle ist, die Schlingensief 2008 während seiner Krebserkrankung und den Therapien ins Diktiergerät gesprochen hat. Dass Schliengensief schonungslos und offensiv mit Dogmen , verkrusteten Ansichten und engstirnigen Denkweisen umgeht war mir bekannt – dass er auch bei sich selbst, bei seinem persönlichen Erleben ohne Netz und Filter arbeitet überrascht mich dann doch. Es fiel mir bis dato nicht gerade leicht mich seinen künstlerischen Arbeiten – Inszenierungen, Installationen und „Ready mades“ – zu nähern.  Rückblick- end verstehe ich sie besser – als ein Hinarbeiten auf seine momentanen Werke. Keine Angst – ich schreiben keine Rezensionen hier, weder über das Buch noch über seine Werke, das tun andere viel besser. Ich möchte nur meiner Begeisterung Ausdruck verleihen – und Neugier wecken! Auf seinem Internetauftritt –  http://www.schlingensief.com/ – und über den blog  http://www.peter-deutschmark.de/  erhält  man über ausführliche previews einen Einblick in „mea culpa“ und „Eine Kirche der Angst gegen den Feind in mir“. Bei letzterem hört  man unter „Die Kirche und ich“ den O-Ton der damailgen Aufzeichnung – sehr berührend!!!! Schliengesief hält mit nichts hinterm Berg – weder mit den großen Gefühlen noch mit den alltäglichen , banalen Gedanken und macht so die existenzielle Bedrohung unmittelbar spürbar. Es ist ihm ein großes Anliegen, dass Patienten Mensch und zugleich autonom bleiben – denn gerade seine Autonomie aufgeben zu müssen  hat er  selbst als sehr bedrohlich und schockierend erfahren. In den ersten vier Wochen nach der Diagnose bräuchten die Patienten psychologischen und psychotherapeutischen Beistand, ebenso kompetente Antworten  auf Fragen zur Therapie, so Schlingensiefs Erkenntnis. Er selbst habe das schmerzlich vermißt – und darum  „krank und autonom“ gegründet ( siehe HP!) das er als Netzwerk Betroffener versteht. Sowohl sein Buch als auch seine Inszenierungen sind für mich ein Aufruf zu mehr Offenheit, Austausch und Anteilnahme, wovon es tatsächlich nicht genug geben kann, wie ich vorallem aus meiner Arbeit in der Selbsthilfegruppe weiß.

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Bei mir selbst tauchen Erinnerungen an Gedanken und Gefühle auf, die zu haben ich mir verwehrte oder bagatellisierte. In meinen Zeichnungen und Bilder erkenne ich sie wieder. Dass sie legitim, zu tiefst menschlich und „erlaubt“ sind wird mir jetzt bewußt! Ebenso die Notwendigkeit meiner eigenen künstlerischen Arbeit, um im wahrsten Sinn des Wortes die Not zu wenden.“Wir brauchen die Kunst um nicht an der Wahrheit zu verzweifeln“- Nitzsche hats begriffen!

© Michaela Dreier

 

..mit den Wölfen…

…heulen tu ich möglichst nicht! Aber manchmal ist es echt zum Heulen: gerade hat mich wieder eine dieser unmöglichen „hoax“-rundmails erreicht, die als Hilfsaktion getarnt daherkommen. Meist geht es um die Errettung eines schwer erkrankten Kindes, und all denen die per klick das mail weiterleiten wird vermittelt sie würden damit einen Beitrag leisten können und irgend ein Konzern würde pro Klick die Spende erhöhen… wers glaubt wird seelig und es wär ja zu schön wenns so einfach wäre! Absolution und ein gutes Gefühl per Mausklick…die Studenten der TU Berlin machen es sich zur Aufgabe, derlei „hoax“- mails  aufzudecken, diese hoax- Liste ist für alle zugänglich. Also: erst mal prüfen!  Zumal meist nur eines dahinter steckt: die Generierung von möglichst vielen @-adressen! Die lassen sich bekanntlich gut verkaufen für datenmüll jeder art. Also drauf achten: beim Weiterleiten von mails die adressen doch bitte in der Bcc -Zeile anführen….

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Zurück zum heulenden Wolf: hatte mich ein paar Tage und noch mehr  Nächte festgelesen in diesem wunderbaren Buch. Mark Rowlands, Philosophieprofessor,  zieht ein Wolfswelpe auf und tingelt mit ihm durch die USA und halb Europa- je nachdem wo er gerade einen Lehrauftrag erhält. Der Wolf ist immer dabei – auch in den Vorlesungen. Das Buch ist mitnichten die Beschreibung bzw. Aneinanderreihung von Erlebnissen, sondern vielmehr die Zusammenfassung all der Erkentnisse, zu denen Rowlands im Zusammeleben mit „Brenin“ kommt. Die – affengleiche – MenschNatur sieht sich  konfrontiert mit ihrer uralten WolfsNatur was zu manch – auch bitterer – Selbsterkenntnis führt. Wer ein Buch ala „Wolfsfrau“ erwartet wird enttäuscht, Rowlands bleibt seinem Genre, der Philosophie, treu und bereitet den Inhalt dementsprechend und sehr gut  lesbar auf.

Für mich ein wunderbares „Bild“ schon gleich am Anfang des Buches ( S.23): Die Beziehung zwischen ihm und seinem Wolf beschreibt Rowlands als „Raum“ – als „Lichtung“ im Wald. Dabei steht gerade der Wolf eher für die dunkle Seite des Menschen, seinen Schatten – wobei das griechisches Wort für Wolf  lukos ist, das  Wort für Licht  leukos, was zugleich  für mich erklärt dass es den Schatten ohne das Licht nicht gibt. Die Gedanken, „die dieses Buch ausmachen“, sind nicht seine Gedanken, so Rowlands, denn er wäre „nicht fähig, sie noch einmal zu denken. Es sind die Gedanken der Lichtung. Die Gedanken, die in dem Raum zwischen einem Wolf und einem Menschen existieren“. Ähnlich ergeht es mir in der Begegnung nicht nur mit meinen Hunden, mit  „Aisha“- der Ernsten, Kämpfersichen, Behütenden und Beschützenden, der Ungestümen – und „Bruni“, dem Kindskopf und Ganggerl, der Zaghaften und Vorsichtigen – sondern auch in intensiven Begegnungen mit Menschen, Freunden, auch mit Fremden. Da entsteht ein Raum und in ihm Bilder, Worte, Verbindungen, und ich beginne wirklich zu existieren.

Überschattung

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© Michaela Dreier

Diese Arbeit heißt „Überschattung“  und ist eine Collage aus einer verfremdeten Mammografie-Aufnahme und anschließender Überzeichnung.

So stelle ich mir das „Altai“ in der Monoglei vor, in das ich im Moment immer wieder mal eintauche denn ich lese gerade „Der singende Fels“, die Aufzeichnung eines Gepräches mit Galsan Tschinag (Autor, Germanist, Stammesführer in der Westmongolei und Schamane), dem Wissenschaftler Klaus Kornwachs (Systhemtheoretiker, analytische Sprachphilosophie)  und Maria Kaluza, die diesen „Trialog ohne Scheuklappen“  moderiert hat und selbst Naturheilerin ist. Immer wieder kommt es in dem Buch zum Brückenschlag zwischen Schamanismus und Wissenschaft, zwischen Lebenserfahrungen und Erkenntnissen der Menschen und Gesellschaften in Ost und West.

„Überschattet“ ist auch das Thema Krebs –  das wurde mir in der letzten Wochen wieder mal sehr bewußt bei meinem Vortrag „Diagnsoe Krebs – was dann?“, bei dem Besuch der Ausstellung „Noch einmal Leben“ (siehe weiter unten) und bei der Reaktion vieler Menschen wenn sie erfahren, dass ich selbst Brustkrebs hatte. „Jeder vierte stirbt an Krebs“ schreibt David Servan- Schreiber – “ aber drei tun es nicht!“ Doch gerade Krebs, egal nun welche Form oder Art , wird mehr als jede andere Krankheit unmittelbat mit Tod und Schmerz, Angst und Leid assoziiert –  obwohl z.B. immer noch „Todesursache Nr 1“ Herz-  Kreislauferkrankungen sind. Woran liegt das? Ich kann es mir nur so erklären, dass Krebs – und sei der Tumor auch noch so klein – etwas ist, das wächst, aus sich vermehrenden Zellen besteht, „lebendig“ ist und eine Form hat. Somit ist Krebs weniger abstrakt als jede andere Veränderung im Körper. Was eine Form hat, kann benannt und bezeichnet werden, womit wir wieder beim „Zeichnen“ wären, denn Zeichnen heißt auch Zeigen. Die Diagnose Krebs zeigt uns  die Endlichkeit des Lebens in aller Deutlichkeit – das verbindet auf der einen Seite und erklärt, warum Selbsthilfegruppen oft so hilfreich sind für den Austausch und das Begreifen, den Umgang und die Verarbeitung der Krankheit – siehe auch :   http://www.selbsthilfe-brustkrebs-chiemgau.de   bei der ich aktives Mitglied bin.  Auf der anderen Seite erklärt es die Berührungsängste,  die viele Betroffenen erleben und erfahren – immer noch und immer wieder.

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zeichnen+kritzeln

Das neue „Kunstforum international“  Bd. 196, April-Mai 2009, hat als Titel  „Zeichnen zur Zeit“ und widmet sich dem Thema Zeichnen auf 200 Seiten! – der letzte Band dazu war 1976 erschienen. Das wird nun meine Osterlektüre!

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Letzte Woche hat mich folgende email einer meiner kursteilnehmerinnen erreicht und nun bin ich wieder etwas schlauer geworden zum Thema „Kritzeln“:

“ …. und so habe ich nachgeschaut, welche Geschichte das Wort hatte:Im Althochdeutschen gab es „krizzon“, was (ein-)kratzen bedeutete. Es ist mit dem Wort „kreiz“ verwandt, was es im Althochdeutschen und Mittelhochdeutschen gab.  Dieses Wort wiederum kommt ganz offensichtlich aus dem religiös-magischen Bereich, was unter anderem die uralte Bedeutung „Zauberkreis“ zeigt. Die Bedeutung „Zauberkreis“ und „Kreislinie“, also etwas Optisches, korrespondiert mit der Bedeutung „Geschrei“ und „Lärm“, also der akustischen Seite des Kreiskratzens. Diese Bedeutungen laufen seit Jahrtausenden nebeneinander her, noch heute in dem Wort „Kreißsaal“, oder „Kreiskrankenhaus“  zu bewundern. Das Wörtchen „kritzeln“ ist im 15. Jahrhundert schon verwendet worden als eine Verniedlichung, oder Verkleinerung von „kritzen“.Ich finde die ursprünglich magische Bedeutung, die ja auch heilsame  Aspekte beinhaltet,  in Deiner Kritzel-Arbeit wieder !!!  Kritzeln setzt eben damals wie heute Energien frei. Viele liebe Grüsse, Maria R… “

Wenn wir schon beim Thema sind: ich habe meine Abschlußarbeit von 2002 noch etwas überarbeitet,aktualisiert und nachgedruckt und so sie ist jetzt wieder bei mir erhältlich – für 15.-€  zzgl. Versandkosten.


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Prozesse der Erinnerung

Franz Wassermann, in Innsbruck lebender Künstler, hat in einem mehrteiligen Kunstprojekt den  Opfern der NS-Euthanasie Tirols ein Erinnerungszeichen gesetzt. Jenen 360 Frauen, Männern und Kindern, die zwischen 1940 und 1942 aus der damaligen „Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke“ in Hall in Tirol nach Hartheim bzw. Niedernhart deportiert und dort ermordet worden sind. Das Erinnern selbst ist ein zentrales Thema des „Temporären Denkmals“, dessen Besonderheit auch darin besteht, dass es keinen Anfang und kein Ende hat; dass es einen Prozess zwischen Gegenwart und Vergangenheit darstellt. Betont wird die gesellschaftliche Verantwortung für die Erinnerung.Das „Temporäre Denkmal“ provoziert und polarisiert, erzählt Geschichten und entwickelt Bilder; es klärt, weckt Emotionen und wirft mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Es ist ein Kunstwerk.

Nun ist die 2.Auflage des 320 Seiten umfassenden Katalogs als Hardcover im StudienVerlag erschienen, Herausgeberin ist Andrea Sommerauer.

Wer mehr über Franz wassermann und seine Projektkunst erfahren möchte:   http://www.mylivingroom.org 

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„Es ist nicht das Ziel ein dauerhaftes Monument zu errichten, in der Hoffnung, das Denkmal würde hinterher schon etwas bewegen. Die Manifestation sollte in den Menschen stattfinden durch die aktive Auseinandersetzung mit Ort, Raum, Zeit.“ Franz Wassermann